Hohenstaufen-Gymnasium Göppingen
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Hermann Heilner geht zur Beerdigung von Hans


Es ist Montag früh. Hermann Heilner geht zum Briefkasten und findet einen grauen Brief vor. Während er zum Haus läuft, öffnet er ungeduldig den Brief:

Lieber Hermann Heilner,
am 23. Februar findet die Beerdigung meines Sohnes, Hans Giebenrath, ...

Heilner hält erschrocken inne und glaubt, den Boden unter den Füßen zu verlieren

. ...

Ein sonniger , wolkenloser Tag. Schwarz gekleidete Trauergäste sammeln sich in kleinen Grüppchen vor dem Eingang der Kirche des kleinen Schwarzwaldstädtchens. Heilner spürt die stechenden Blicke der Anderen. Könnte es sein, dass sie ihn für den Tod von Hans verantwortlich machen? Aber wie kommen sie darauf? War es falsch, dass er Hans gezeigt hat, was Leben ist? War es falsch, ihm zu zeigen, was Freundschaft ist? Plötzlich überkommt ihn ein seltsames Gefühl: Er war doch sein Freund gewesen, oder?
Schließlich wollte er ja nur das Beste für ihn.

Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem wir uns zum ersten Mal gesehen haben. Er sah so verloren und eingeschüchtert aus. Er war es vermutlich nicht gewohnt, so viele Menschen um sich zu haben. Als wir uns dann das erste Mal getroffen haben, hat sich mein Eindruck nur bestätigt. Er war, wie ich es mir gedacht hatte: schüchtern, zurückhaltend, unbeholfen und ohne eigenen Willen.
Ich war der Einzige, der schon früh gemerkt hat, dass er Angst hatte, andere zu enttäuschen. Jedoch war er neugierig und wollte das Leben auf  eine andere Weise kennen lernen. Trotz der großen Last, die auf ihm lag, hat er mir zugehört. Aber habe ich ihm zugehört, als er mich gebraucht hat? Er hat nie gezeigt, dass er mich braucht. Aber hätte ich es nicht spätestens dann  wissen müssen, als er mir von seinem Zuhause erzählt hat? Was weiß ich eigentlich über ihn? Kannte ich ihn überhaupt?

Das Läuten der Kirchenglocken reißt ihn aus seinen Gedanken. Der Trauerzug setzt sich in Bewegung. Die Gemeinde schreitet in Richtung Grab. Heilner ist einer der letzten. Er beobachtet die Leute um ihn herum. Waren sie jemals für Hans da gewesen? Hat er ihnen etwas bedeutet?
Er hört ein Mädchen ununterbrochen schluchzen. Der Mann neben ihr, der sich als Joseph Giebenrath herausstellt, sagt niedergeschlagen: "Er ist so begabt gewesen und alles ist ja auch gut gegangen, Schule, Examen- und dann auf einmal ein Unglück nach dem anderen." Heilner ballt seine Hände zu Fäusten. Sehen diese Menschen nicht ein, dass ihre Taten Hans in den Tod getrieben haben? Erst langsam entspannt er sich wieder, denn bei diesen Worten wird ihm klar, dass Hans endgültig von seinen Sorgen erlöst ist.
Eine kleine Träne fällt von dem äußerlich so gefühllosen Jungen in das Grab seines Freundes. "Leb wohl. Ich hoffe, du bist jetzt frei!" Mit diesen Worten verlässt er das Begräbnis, ohne noch einen einzigen Blick zurückzuwerfen.

Von Katrin, Melisa, Anabel