Hohenstaufen-Gymnasium Göppingen
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Schreib-Projekt "Wände - Mauern"


Die Deutsche Telekom AG - mutwillig gegen die Wand gefahren

von David Böbel und André Hiller

Die Konzerndaten der Deutschen Telekom AG lasen sich im Jahr 1995 wie der Traum eines jeden Managers. Mit 100% Netzabdeckung und als einziges Unternehmen, das im Bereich der Telekommunikation tätig war, hätte der Erfolg eigentlich vorprogrammiert sein müssen. Doch schon direkt nach der Privatisierung sollte der Weg der Telekom steil bergab gehen und schließlich in einer Sackgasse, ohne Ausweg, enden. Das Unternehmen steht mit dem Rücken zur Wand und ist durch einen Machtkampf von Management und Gewerkschaften gelähmt und handlungsunfähig.

Privatisierung " Die Weichen werden gestellt

Die Deutsche Telekom entstand, so wie sie heute bekannt ist, am 1. Januar 1995 mit Inkrafttreten der zweiten Postreform. Das Unternehmen war ursprünglich ein Staatsbetrieb, der bis zum Jahr 1995 vollständig in der Deutschen Bundespost aufging. Im Zuge des ständigen Zwangs des Staates sich aus der Wirtschaft heraus halten zu wollen, wurde die Bundespost in mehrere Teile zerschlagen und privatisiert. Darunter neben der heutigen Deutschen Post AG und der Deutschen Postbank AG auch die Deutsche Telekom AG.

Das Unternehmen wurde auf eigene Beine gestellt, doch der Weg, auf den der Konzern gebracht wurde, besaß keine Abzweigung und sollte schon bald auf eine Mauer zu führen. Von heute aus betrachtet vollzog der Bund hier eher eine Abtreibung, als eine lebensfähige Geburt.

Leider wurden schon bei der Gründung offensichtliche Fehler gemacht, die das Unternehmen bis heute belasten. Die Hauptursache für den heutigen Zustand der Deutschen Telekom ist nicht in einem Fehlverhalten des Vorstandes, sondern im Verhalten des Bundes als alleiniger Gründer und Großaktionär zu sehen.

Der erste Schritt in Richtung Privatisierung wurde dadurch getan, dass das Unternehmen mit Eigenkapital ausgestattet wurde. Dies ist in soweit lobenswert, wäre dies im Fall der Telekom nicht, wie folgt, geschehen. Ein großer Teil des Eigenkapitals stammt aus der Aufwertung von Grundbesitz. Dies geschah, indem einfach behauptet wurde, dass z.B. Grundstücke, die im Besitz des Unternehmens sind, von heute auf morgen plötzlich im Wert gestiegen seien. Hierbei handelte es sich um einen Wert von damals etwa 12 Mrd. DM. Das Eigenkapital, welches das Überleben des Unternehmens eigentlich sichern sollte, wurde somit nur vorgespiegelt, wirtschaftlich war es aber nicht vorhanden - Verheerend, vor allem, wenn man bedenkt, dass bekannt war, dass Pensionen das Unternehmen in den nächsten Jahren um etwa 20 Mrd. DM belasten würden. Die Pensionsverpflichtungen waren somit höher als das Eigenkapital.

Ebenso undurchsichtig war auch die Gründungsprüfung des Unternehmens. Diese geschah nicht, wie allgemein üblich, durch einen vom Amtsgericht ausgewählten Prüfer, sondern der damalige Bundespostminister, Wolfgang Bötsch, wählte diesen Prüfer selbst aus.

Tatsächlich ist sogar fraglich, ob das Unternehmen jemals für die Privatisierung bereit war. In der Zeit seit der Gründung der Deutschen Bundespost 1947 lagen in der Telekommunikationssparte niemals Gewinne vor. Schließlich schob der Bund, pünktlich zur Privatisierung, dann auch noch zusätzlich Angestellte, die im Staatsdienst überflüssig waren, in das Unternehmen ab. Hierbei handelte es sich um rund 60.000 Beamte, die dem Unternehmen unkündbar auf der Tasche liegen. Es liegt daher auf der Hand, dass ein Unternehmen mit einem Überschuss von 60.000 Mitarbeitern unmöglich konkurrenzfähige Preise machen kann. Von Seiten der Gewerkschaft heißt es dazu, der Vorstand male mit seinen Aussagen zum Mitarbeiterüberschuss den Teufel geradezu an die Wand. Ein Überschuss würde, angesichts des schlechten Service, nicht der Wahrheit entsprechen. Faktisch gäbe es im Servicebereich sogar zu wenig Angestellte.

Die schwindende Zahl von Kunden und die immer weiter voranschreitende Automatisierung in der Kommunikationsbranche verschlimmern diese Situation zusätzlich. Auf der Internetseite der Telekom hieß es in einer Stellungnahme des Unternehmens, dass der Kundenschwund "regulierungspolitisch gewollt" sei.

UMTS " Auf der Überholspur gegen die Wand

Im Sommer 2000 erreichte das perfide Spiel des Staates seinen Höhepunkt. Es sollten die begehrten UMTS Lizenzen in Deutschland an die 11 größten Telefonunternehmen versteigert werden. Es war die neue Technologie Fernsehen über das Mobiltelefon zu übertragen. Am 18. August war es dann soweit. Die Telekom erwarb zwei Frequenzblöcke zu einem, auch damals, astronomischen Preis von 16,58 Mrd. DM (8,48 Mrd. €). Was sie damals wirklich noch nicht wussten ist, dass diese Lizenzen nichts weiter als Verluste bescheren sollten. Dieser viel zu hohe Preis für diese Lizenzen war wirtschaftlicher Wahnsinn. Dies hatte damals der Konzernsprecher Ulrich Lissek in einem Presseinterview selbst zugegeben. "Wir starten mit einer massiven Hypothek in die UMTS-Zukunft"

Muss man nicht fragen, wenn die Telekom wusste, dass die Lizenzen unrentabel sein könnten, warum wurden sie dann ersteigert? Diese Frage ist einfach beantwortet, die Prioritäten wurden anders gesetzt, man durfte den Anschluss an den nationalen sowie internationalen Markt nicht verlieren. Die Telekom stand mit dem Rücken zur Wand. Man durfte sich diese Zukunftstechnologie nicht entgehen lassen und man wollte fast jeden Preis dafür zahlen.

Doch diese Managementstrategie stellte sich als gravierender Irrtum heraus. Man wollte mit dem Kopf durch die Wand, denn keiner hatte sich überlegt, was für Kosten auf die Telekom zukommen sollten, nachdem die Lizenzen ersteigert wurden. Es gab noch keine Dienste für UMTS und auch das Netz hierfür musste erst noch entstehen. Der Bund hatte der Telekom bei der Privatisierung zwar das gesamte Mobilfunknetz überlassen, doch der neue UMTS Standard basiert nicht auf dem herkömmlichen Telefonieren, sondern auf dem Austausch von Daten und Nachrichten, doch diese Dienste mussten erst noch entstehen. Die neuen Produkte, die auf den UMTS Lizenzen basierten, waren viel zu teuer. Die Kunden mussten sich nicht nur ein neues, teureres UMTS-fähiges Handy besorgen, sie tragen nun auch die Last der viel zu teuer erstandenen Lizenzen. Der hohe Preis der Lizenzen wird direkt an die Kunden weitergegeben. Indirekt ist der Anwender der Technologie der Geprellte, denn er zahlt für die Preistreiberei des Staates bei der Versteigerung. Dies ist einer der Hauptgründe für den schleppenden Durchbruch von UMTS im Massenmarkt. Die Lizenzen sind wertlos und die Unternehmen durch Benachteiligung um eine Einnahmequelle beraubt. Die Strategie des Staates um an Einnahmen zu gelangen, bedeutet ein Griff in die Taschen der Kunden.

Ein weiteres Problem war natürlich auch die Versteigerung dieser Lizenzen. Jeder Vertreter der Telefonunternehmen, wurde in einen Raum mit vier Wänden, einem Computer und einer Tür gesperrt. Dort mussten sie dann die Gebote abgeben ohne Kontakt zur Außenwelt. Es wurden 12 Frequenzblöcke für 7 Mobilfunkunternehmen versteigert, wobei für die Lizenzerteilung ein erfolgreiches Gebot in zwei Blöcken erforderlich war. Es konnten aber maximal drei Lizenzen einem Bieter zugeteilt werden. Durch diesen starken Wettbewerb und die Tatsache, dass mindestens einer dieser Telefonkonzerne ohne Lizenz ausgehen würde, boten sich die Kontrahenten gegenseitig hoch. Jeder wollte die Zahl der Mitbewerber so gering wie möglich halten. Deshalb bot jeder auf 3 Frequenzblöcke um maximal 4 Mitbewerber im UMTS Markt gegenüberzustehen. Doch auch schon damals wurde dieser Versteigerungsmodus von vielen Unternehmen angeprangert, man bezeichnete ihn als "technologiefeindlich" aufgrund genau dieser absurd hohen Kosten.

Der Bund hat wieder einmal aus der Privatisierung der Telekom einen massiven Gewinn geschlagen. Er stoppte die Telekom nicht auf ihrem Weg gegen die Wand sondern beschleunigte diese, und dies sollte nicht das letzte Mal gewesen sein.

Die Dividendenpolitik " ein teuer Befreiungsversuch

Nach dem Geschäftsjahr 2006 wurde dieses Jahr eine Dividende von 0,72 € je Aktie an die Aktionäre ausgeschüttet. Dies entspricht insgesamt eine Auszahlung von 3 140 Mio. €, erschreckend, wenn man bedenkt, dass aus dem laufenden Geschäft keinerlei Gewinne erzielt werden konnten. Ohnehin ist die Dividende der Telekom höher, als bei allen anderen Konzernen, die im DAX notiert sind, also auch höher als z.B. bei der Lufthansa und der Deutschen Bank AG. Der gravierende Unterschied ist, dass diese beiden Unternehmen die Dividende aus den Gewinnen finanzieren, die Telekom finanziert diese über Kredite und Eigenkapital.

Die Lage des Unternehmens lässt sich verbildlichen. Ein Bauer, in diesem Fall der Bund, macht aus seiner Kuh ein eigenes Unternehmen. Die Kuh wirft jedoch keinen Gewinn ab, da die produzierte Milch die Kosten nicht deckt. Trotzdem schüttet die Kuh Dividende an ihre Anteilseigner aus. Da aber keine Gewinne vorhanden sind, muss die Kuh bzw. das Unternehmen sich selbst verkaufen. Es dürfte wohl klar sein, dass dies nicht unbedingt der Weg ist, das Unternehmen nachhaltig zu führen. Die Kuh könnte es sich aus gesundheitlichen Gründen niemals erlauben Teile von sich selbst zu veräußern, die Telekom macht dies seit Jahren. Hierbei gehen Werte und Kapital im Unternehmen verloren, die eigentlich für eine radikale Kursänderung aufgewendet werden sollten, um einen Frontalaufprall mit der bereits in Sicht getretenen Mauer zu verhindern.

Der Bund, als größter Einzelaktionär, denkt jedoch nicht daran einzuschreiten, denn hier wird kräftig abkassiert. Zunächst hält die Bundesrepublik Deutschland ca. 15 % am Konzern. Hinzu kommt noch die KfW-Bankengruppe, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die etwa 17 % an der Aktiengesellschaft hält. Die KfW-Bank gehört jedoch gemeinsam dem Bund und den Ländern. So gehen 32 %, rund 1 Milliarden €, der Dividende an die Bundesrepublik. Geht man nun, für die anderen 2,14 Mrd. € an Aktionäre ausgeschüttete Dividende, von einem Steuersatz von 35% aus, was durchaus realistisch ist, so gehen durch Steuern und Abgaben weitere 749 Mio. € an den Bund. Über die Hälfte der Dividende der Kapitalgesellschaft, der Telekom, bleibt also beim Staat, der bereits durch den Börsengang und die Versteigerung der UMTS-Lizenzen das Unternehmen plündern durfte. Der Staat selbst hat kein Interesse mehr am Unternehmen und lässt den entstandenen Totalschaden von den Aktionären bezahlen.

Auf der jährlichen Hauptversammlung wird die Lage der Telekom immer wieder von Aktionären angeprangert. Die desolate Lage des Unternehmens werfen die Aktionäre und Mitarbeiter dem Vorstand vor. Der seit 13. November 2007 eingesetzte Vorstandsvorsitzende, René Obermann, wurde zu Beginn der Veranstaltung ausgepfiffen, was sich bei jeder seiner nachfolgenden Reden immer öfter wiederholte. Doch auch viele Aktionäre setzten alle Hoffnungen darauf, dass er mit dem Unternehmen wieder auf die richtige Spur kommt und sich der vorhersehbare Crash abwenden lässt.

Durch den Streik im Juni wird das Unternehmen nun noch von seinen eigenen Angestellten gegen die Wand gestoßen. Mit den zu vielen Beschäftigten ist das Unternehmen nicht konkurrenzfähig, aber eine Entlassung oder Ausgliederung ist wegen Streiks ebenfalls nicht möglich. Es steht eine Mauer zwischen den Fronten, die vielleicht sogar unüberwindbar ist: Gewerkschaftsinteressen und die Zwänge des Managements sind unvereinbar ohne eine radikale Umstrukturierung des Unternehmens.

Bei der Fahrt des Unternehmens gegen die Wand lassen sich klare Zwischenstationen erkennen, die jedoch nie für einen Kurswechsel genutzt wurden. Die Fahrt wurde unverändert wieder aufgenommen, vielleicht sogar beschleunigt. Die Gewerkschaften verschließen die Augen vor der erwarteten Kollision, die momentane Geschäftsführung erkennt als einzige die drohende Gefahr, ist jedoch durch Altlasten aus der Privatisierung handlungsunfähig, die Bremsen blockieren. Beim Tarifstreit steht das Unternehmen bereits mit dem Rücken zur Wand, finanziell sind einige Sparten schon vor die Wand gefahren und wenn nicht ein Umdenken stattfindet, bleibt es eine Frage der Zeit, bis der Rest des Konzerns folgt. Der Bund als Beifahrer und Geburtshelfer sollte hier die Notbremse ziehen, verkennt jedoch die Not der Stunde

Quellenangaben

Internet:

 

de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Telekom


de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Bundespost


de.wikipedia.org/wiki/UMTS


www.telekom.de/dtag/cms/content/dt/un/stat/konzern/ir


www.heise.de/newsticker/result.xhtml


www.heise.de/newsticker/result.xhtml


www.kritischeaktionaere.de/Konzernkritik/Telekom/telekom.html


www.tecchannel.de/news/themen/business/438413/


www.wdr.de/themen/wirtschaft/wirtschaftsbranche/telekom/t-online.jhtml


www.computerwoche.de/nachrichten/583941/

 

Literatur:

Wolfgang Phillipp, Die Telekom-Ballade " Wegweiser in eine andere Republik, ATE-Verlag